Unterwasserrugby – die einzige dreidimensionale Ballsportart der Welt
Auch unter Wasser wird in Paderborn Rugby gespielt. Zwei Mannschaften mit je sechs Spielern kämpfen beim Unterwasserrugby im dreidimensionalen Raum um Ball und Tore. Diese stehen auf dem Grund des Sprungbeckens in 3,80 Meter Tiefe. Der ballführende Spieler darf angegriffen werden und selbst den gegnerischen Torwart attackieren. Drei Schiedsrichter – davon zwei unter Wasser mit Pressluft – wachen darüber, dass es fair zugeht.
Der Ball liegt in der Mitte des Sprungbeckens auf dem Boden des Hallenbads. Die beiden schnellsten Spieler jeder Mannschaft sind in Startposition, bereit, sich jeden Augenblick vom Beckenrand abzudrücken. Da ertönt das Startsignal: Die Spieler stoßen sich vom Beckenrand ab und sprinten unter Wasser auf den Ball zu. Die langen Flossen peitschen durch das Wasser. Der Spieler mit der Nr. 10 in blauer Spielkleidung ist als erster am Ball. Er greift ihn und spielt ihn nach rechts, wo sein Mitspieler mit der Nr. 6 mitgeschwommen ist und den Ball annimmt.
Dienstagabend beim Training der Unterwasserrugbymannschaft des 1. Paderborner Schwimmvereins in der Westfalen Therme in Bad Lippspringe. Gespielt wird mit einem Plastikball, der mit Salzwasser gefüllt ist. Er ist so groß ist wie ein Handball, sinkt etwa 1 Meter pro Sekunde und sieht aus wie ein klassischer Fußball. An den gegenüberliegenden Längsseiten der Sprunggrube des Hallenbads steht jeweils ein schwerer, gepolsterter Metallkorb mit einem Durchmesser von 40 Zentimetern in 3,80 Metern Tiefe, in den der Ball hinein muss. Ein Spiel dauert zweimal 15 Minuten reine Spielzeit.
Die Spieler sind mit Flossen, Schnorchel und Maske ausgerüstet und tragen blaue oder weiße Wasserball-Kappen mit Ohrenschützern und blaue oder weiße Spielkleidung. Jede Mannschaft hat 6 Spieler und 6 Auswechselspieler. Gewechselt wird fliegend wie beim Eishockey. Beim Unterwasserrugby sind auch gemischtgeschlechtliche Teams erlaubt.
Unterwasserrugby ist das einzige Ballspiel, bei dem in drei Dimensionen gespielt wird. Dabei ist eine gute Orientierung erforderlich. Der Gegner kann von überall kommen: von oben, von unten, von der Seite, aus allen Himmelsrichtungen. Wichtig ist ein gutes Positionsspiel: Die Mitspieler müssen sich frei schwimmen und sich dem ballführenden Spieler zum Abspiel anbieten. Dieser stößt den Ball in Richtung Ziel, etwa wie beim Kugelstoßen. Über 2 bis 3 Meter kann man den Ball zielgenau passen. Je länger ein Pass aber wird, desto leichter kann der Gegner diesen abfangen. Zudem muss der Ball immer unter Wasser bleiben und darf nicht über die Wasseroberfläche hinausgehoben werden.
Mit dem Ball nach vorne schwimmen, abspielen, nach oben und einmal Luft holen und sich wieder anbieten. Das mehrmals und dann auswechseln. So in etwa ist der Spielrhythmus. Angriff und Verteidigung wechseln sich bei etwa gleich starken Mannschaften beständig ab. Dabei ist das Spiel relativ schnell. Durch die Flossen sind die Spieler unter Wasser sehr wendig und kommen schnell voran.
Die Mannschaft mit der blauen Spielkleidung hat den gegnerischen Angriff vor dem eigenen Tor abgefangen und startet zum Konter. Zwei Spieler sprinten auf das gegnerische Tor zu, bis sie dort angelangt sind. Die Nr. 3 hält sich links vom Tor, die Nr. 7 orientiert sich dagegen nach rechts. Der Torwart ist längs abgetaucht und bewacht halb sitzend und halb liegend seinen Korb. Der ballführende Spieler darf angegriffen werden und selber den Torwart attackieren und versuchen, diesen vom Korb wegzuziehen. Der rechte Spieler mit der Nr. 7 packt den Torwart am Fußgelenk und versucht, diesen nach vorn zu ziehen, um dann den Ball unter dem Torwart her auf die linke Seite des Korbes zu spielen, wo die Nr. 3 links bereits auf den Ball wartet und diesen in den Korb drücken möchte. Doch der rechte Spieler ist zu langsam. Ein Verteidiger kommt aus dem toten Winkel angeschwommen und entreißt ihm von schräg hinten den Ball. Der Angriff ist gescheitert.
Doch auch bei diesem harten Sport gibt es Regeln: Körperliche Attacken dürfen nur gegen den ballführenden Spieler erfolgen beziehungsweise von diesem ausgehen. Dabei dürfen die Spieler nicht an ihrer Ausrüstung angegriffen werden. Auch das Festhalten am Korb ist verboten, ebenso wie rohe Gewalt: Beißen, Kratzen, Treten, Schlagen, Würgen, übermäßiges Verdrehen der Gliedmaßen und absichtliches Untertauchen gelten deshalb als Foul, das je nach Schwere eine zweiminütige Zeitstrafe auf der Strafbank nach sich ziehen kann.
Die wichtigsten Eigenschaften, über die ein Spieler verfügen muss, sind Übersicht, Kraft, Schnelligkeit, Wendigkeit und Ausdauer. Es ist gut, wenn man lange die Luft anhalten kann. Insgesamt braucht man beim Unterwasserrugby eine sehr gute Kondition, um sich über etwa 2 Minuten im Wasser völlig zu verausgaben und sich in den folgenden etwa 2 Minuten auf der Wechselbank wieder zu erholen.
Das effektivste Foul ist übrigens ein seitlicher Stoß gegen die Maske des Gegners, so dass diese voll Wasser läuft und erst einmal wieder ausgeblasen werden muss. Dadurch ist der gefoulte Gegner für einige Sekunden außer Gefecht. Aber wehe, man wird dabei erwischt. Dann gibt es eine 2-minütige Zeitstrafe. Zwar ist Unterwasserrugby ein harter, kampfbetonter Sport, doch schwere Verletzungen bleiben zum größten Teil aus. „Kratzer, Prellungen und blaue Flecken gibt es häufig, doch das Wasser dämpft die Schläge und Tritte, die man regelmäßig abbekommt“, betont der Paderborner Spieler Lars Keller. Er ist 38 Jahre alt und spielt schon seit über 20 Jahren Unterwasserrugby.
Es gibt drei Schiedsrichter: Zwei unter Wasser mit Pressluft und einen Überwasserschiedsrichter, der das Spiel leitet. Alle drei sind mit einer elektrischen Hupe ausgestattet. Wenn die Hupe zweimal hintereinander ertönt, ist ein Tor gefallen.
Strafstoß. Der Mittelstürmer der Mannschaft in Weiß in der Mitte des Beckens und der blaue Torwart am Beckenrand über seinem Tor lauern beide an der Wasseroberfläche. Wenn das Hupsignal ertönt, hat der ausführende Spieler 45 Sekunden Zeit, den Strafstoß durchzuführen. Er schwimmt an der Wasseroberfläche auf den Torwart zu und zwingt diesen so abzutauchen. Dann wartet er noch einen Moment, bis er seinen Angriff startet. Er sprintet mit dem Ball in seiner rechten Hand auf den Torwart zu und versucht, diesen mit der Linken am Genick zu packen und vom Tor wegzuziehen. Doch der Torwart wehrt seinen Griff erfolgreich ab. Jetzt wühlt sich der Angreifer unter den Torwart und versucht, diesen mit seinen Schultern hochzudrücken. Mit Erfolg. Dann ist der Ball im Korb. Es steht 1 : 0 für die Mannschaft in Weiß.
„Wenn du keine Luft mehr hast, musst du noch mal auf den Schnorchel beißen und das Letzte aus dir rausholen“, sagt Lars Keller später, nachdem er diesen Strafstoß erfolgreich ausgeführt hat. Nach dem Training in der Kneipe erzählt der Realschullehrer, der viel Erfahrung im Unterwasserrugby hat, dass die Paderborner Mannschaft letztes Jahr nur knapp die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft verpasst hat. Aber vielleicht klappt es ja dieses Jahr.